Kinderärzte sehen Versorgung von Kindern in Kinderkliniken durch Abschaffung der Kinderkrankenpflege in Gefahr
„Wenn die Generalistik kommt, dann gehen die Kinderkrankenpflege und damit einmal wieder die kranken Kinder völlig unter“, nimmt Prof. Dr. Matthias Keller, Vorsitzender der Süddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (SGKJ) Stellung zur geplanten Pflegereform, die bereits Mitte des Monats vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll.
Im Bewusstsein, dass jegliche Wortmeldungen bisher keinen Einfluss auf den Referentenentwurf des Bundesministeriums hatten, will es jedoch auch die Spitze der SGKJ nicht verpassen, ihren Unmut und ihre Besorgnis über den Weg hin zu einer generalistischen Ausbildung zum Ausdruck zu bringen.
„Die Bundesregierung plant die Ausbildung von Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zusammenzulegen – das ignoriert unserer Ansicht nach die speziellen Bedürfnisse von kranken Kindern und Jugendlichen“, betont auch SGKJ-Vorstand Dr. Andreas Artlich. Kinder haben einen besonderen Fürsorgeanspruch, der nicht verloren gehen dürfe. „Wir brauchen im Interesse der Versorgungsqualität auch weiterhin eine spezialisierte Kinderkrankenpflege“, verdeutlicht er nochmals ganz konkret.
Die Vertreter der SGKJ bedauern die fehlende Sensibilität der Bundesregierung für das Wohlergehen kranker Kinder und ihrer Familien. Der Gesetzentwurf habe sowohl in seiner Zielsetzung aus auch in Lösungsvorschlägen keinerlei Bezug zur Kinderkrankenpflege. „Man kann sagen, die Pflegereform ignoriert die Kinder“, so Keller weiter und untermauert damit auch die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) in der es unter anderem heißt:
„Wir gehen prinzipiell davon aus, dass Kinder dasselbe Recht auf eine gute und qualitative Pflege haben wie Erwachsene. – Diesem Ziel liefe die Umsetzung der generalistischen Pflegeausbildung zuwider. Denn damit Kinder eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Pflege erhalten wie Erwachsene, müssten die Auszubildenden sich jeweils mindestens ein Drittel ihres theoretischen Unterrichts mit den spezifischen Belangen des wachsenden Körpers ebenso auseinandersetzen wie ein Drittel des praktischen Unterrichts mit der Pflege von kranken Kindern verbringen. Dies ist aber nicht realistisch (und logistisch-organisatorisch auch nicht machbar). Die generalistisch ausgebildeten Pflegefachfrauen und –männer werden v.a. für die Altenpflege und die Krankenpflege von Erwachsenen vorbereitet werden.“ (http://www.dgkj.de/service/meldung/meldungsdetail/dgkj_zum_referentenentwurf_eines_gesetzes_zur_reform_der_pflegeberufe/)
Unsere Kinderkrankenpflegerinnen und Pfleger durchlaufen eine spezielle Ausbildung und sind nach Abschluss ihrer dreijährigen Ausbildung in der Lage, ganz gezielt auf die Entwicklungsbesonderheiten und die spezifischen Störungsbilder von kranken Kindern einzugehen sowie die Ängste und Sorgen der Eltern nicht aus den Augen zu verlieren und mitzutragen“, betont Dr. Andreas Artlich. Die Kompetenz reiche dabei von einem 500g Frühgeborenen auf der Intensivstation bis hin zum pubertierenden Jugendlichen und von akuten Krankheitsbildern mit guter Prognose bis hin zu schweren lebensverändernden, oftmals auch lebensbegrenzenden chronischen Krankheiten. „Das lässt sich mit der Pflege von alten Menschen und kranken Erwachsenen keinesfalls vergleichen – keine Patientengruppe profitiert von der jetzt geplanten, als Harmonisierung verkauften Reform!“, kritisiert Keller.
Aus Sicht der SGKJ geht die Versorgung von kranken Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien in der geplanten Pflegereform unter. „Dies kann und darf nicht im Sinne unserer Gesellschaft sein“, so die Vorstandschaft. „Wir brauchen endlich auf Bundesebene Volksvertreter, die sich wortstark für die Versorgung von kranken Kindern einsetzen. Es ist absurd, wenn wir über Qualität in Kliniken reden und dann ausgerechnet bei Kindern die Spezialisierung von Pflegekräften de facto abgeschafft werden soll“.
Deswegen unterstützt die SGKJ die Petition an den Deutschen Bundestag, dass dieser beschließe, dass im neuen Pflegeberufegesetz das eigenständige Berufsbild der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erhalten bleibt. „Wenn die generalistische Pflegegrundausbildung stattfinden soll, dann muss im Gesetz eine ausreichende Spezialisierung bzw. Schwerpunktsetzung für die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege festgelegt werden, die der aktuellen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Berufe in der Krankenpflege (2003) entspricht“, so die SGKJ-Vorstandschaft.
Wenn die Petition bis zur Deadline am 25.01.2016 50.000 Unterstützer erhält, wird sie in einer öffentlichen Sitzung im Deutschen Bundestag verhandelt und erhält dadurch mehr Gewicht.